Interview Junge Welt

In der JW ist ein Interview zur Kundgebung morgen erschienen.

»Es geht niemals um Menschenrechte«

Deutsche Soldaten sollen Kriege fürs Kapital führen, PR-Agentur wirbt für Bundeswehr. Protest für Freitag angekündigt. Ein Gespräch mit Daniel Maier

Gitta Düperthal

Am Freitag ruft die »Stadtteilinitiative Kreuzberg 36« mit einer Kundgebung dazu auf, die Bundeswehr abzuschaffen. Ein hehres Ziel. Wie kommen Sie zu dieser Forderung?

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte kürzlich in einem Vortrag an der Bundeswehr-Universität in München, dass es künftig mehr Einsätze deutscher Soldaten weltweit geben soll als bisher schon. Unumwunden machte die CDU-Vorsitzende klar, es solle dabei um strategische und ökonomische Interessen Deutschlands und Europas gehen. Hinter den bisherigen Einsätzen steckt freilich nichts anderes, bloß wurde es nicht so klar geäußert. Als sich vor rund zehn Jahren der damalige Bundespräsident Horst Köhler derart offenbarte, hatte er deshalb noch zurücktreten müssen. Kramp-Karrenbauer kann dies aber jetzt öffentlich ankündigen, ohne dass ein nennenswerter Aufschrei zu vernehmen wäre. Deutschland ist also bereit, für seine wirtschaftlichen Interessen Kriege zu führen.

An welchen Beispielen bisheriger Auslandseinsätze wird das deutlich?

Kramp-Karrenbauer macht keinen Hehl daraus, dass es beim Mali-Einsatz der Bundeswehr darum geht, Migration zu kontrollieren und zu stoppen. Zudem besitzt Mali wertvolle Bodenschätze, weshalb Frankreich dort ebenso präsent ist. Bei der Militärpolitik der Bundesrepublik geht und ging es niemals um humanitäre Einsätze und Menschenrechte. Im Fall des Afghanistan-Einsatzes hatte Köhler verdeutlicht, zur Not sei »militärischer Einsatz notwendig«, um »zum Beispiel freie Handelswege« zu gewährleisten.

Was entgegnen Sie jenen, die meinen, die BRD brauche eine Armee, um sich verteidigen zu können?

Im Grundgesetz ist von einer Verteidigungsarmee die Rede, nicht aber von imperialistischen Feldzügen. Die Bundesregierung wirkt ständig daraufhin, Bedingungen herzustellen oder zu fördern, die Gewalt in anderen Teilen der Erde hervorrufen. Deutschland ist direkt daran beteiligt, Armut, Flucht und Vertreibung auf der ganzen Welt zu zementieren, etwa durch ungerechte Umverteilung von den Ländern des globalen Südens zu denen des globalen Nordens. Ärmere Länder werden zunächst durch Ausbeutung destabilisiert, und im Anschluss wird argumentiert: Militärs müssten nun Europa abschotten.

Sieht man diese Welt nicht durch eine nationalistische, neoliberale Brille, müsste es statt dessen heißen: Wir brauchen weltweit eine andere Gesellschaft, damit alle Menschen ein gutes, angstfreies Leben unter Bedingungen der Gleichberechtigung führen können.

Am Freitag protestieren Sie auch gegen die Agentur »Crossmedia«, die für die Bundeswehr als »Arbeitgeber« im großen Stil wirbt. Was ist an deren Werbung verwerflich?

Die von »Crossmedia« produzierte Werbung ist vorrangig darauf angelegt, Kinder und Jugendliche für das Militär zu gewinnen. Mit ihren Kampagnen verharmlost die Agentur die Bundeswehr. Einerseits stellt sie den Militärdienst als normalisiertes Arbeitsleben dar, andererseits verherrlicht sie dieses obendrein als Abenteuer und Spiel. Um junge Leute als Rekruten anzuwerben, schmeißen sie tarnfarbene Pizzakartons auf den Markt und berieseln die Menschen pausenlos über Youtube, Facebook, Instagram oder Alexa. Immer mehr Minderjährige ab 17 Jahren sollen so motiviert werden, sich für das Töten ausbilden zu lassen.

Angesichts der beschriebenen Herausforderungen: Muss sich die Friedensbewegung neu formieren?

Aufgrund der zunehmend vorangetriebenen Militarisierung müssen wir uns breiter aufstellen und zugleich linksradikale Kritik deutlich formulieren. Um zu erkennen, welch miese Rolle Deutschland in der Welt spielt, muss man sich nur die Haltung der Bundesregierung hinsichtlich des fortschrittlichen, demokratischen Projektes im nordsyrischen Rojava anschauen. Die Bundesrepublik liefert der Türkei Waffen und festigt zugleich ihr strategisches Bündnis mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdogan. Rojava steht als Symbol dafür, was die deutsche Regierung fördert oder auch hinnimmt, wenn ein soziales Projekt jenseits des Kapitalismus und ­Patriarchats angegriffen wird. Ein Skandal!

Daniel Maier ist Aktivist der »Stadtteilinitiative Kreuzberg 36«

Kundgebung »Bundeswehr abschaffen – weg mit Crossmedia«: Freitag, 17 Uhr, Kohlfurter Str. 41, Berlin-Kreuzberg (vor der Crossmedia GmbH)

kreuzberg36.noblogs.org

Den Artikel finden Sie unter: https://www.jungewelt.de/artikel/368590.bundeswehr-und-crossmedia-es-geht-niemals-um-menschenrechte.html

(c) Junge Welt 2019

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